Lawinenkunde
Lawinenkunde
Lawinen zählen zu den objektiven Gefahren beim Wintersport abseits gesicherte (Ski-)Gebiete. Besonders für Skitourengeherinnen stellen Lawinen eine große Gefahr dar. Um die Gefahr von Lawinen zu verstehen, ist ein grundlegendes Wissen über Lawinen und deren Entstehung die Voraussetzung. Zur Lawinenkunde gehören unter anderem das Verständnis über Lawinenarten, die Lawinenauslösung und die verschiedenen Lawinengrößen.
1. Lawinenarten
Jährlich sterben in Österreich im langjährigen Durchschnitt 20 bis 25 Personen durch Lawinen. Umso mehr ist es wichtig, ein fundiertes Verständnis über Lawinen zu erwerben.
Schneebrettlawinen
Am gefährlichsten für Wintersportler sind Schneebrettlawinen. Zum einen, weil sie schwer vorherzusagen sind. Zum anderen, weil ihr linienförmiger Anriss sich über mehrere hundert Meter an einem Hang erstrecken kann, die Schneemassen blitzschnell ins Rutschen kommen und eine Flucht aus dem Gefahrenbereich nur selten möglich ist. Schneebrettlawinen können in trockenem oder nassem Schnee abgehen.
Lockerschneelawinen
Lockerschneelawinen sind eine andere Lawinenart. Im Gegensatz zum linienförmigen Anriss der Schneebrettlawinen ist der Anriss eine Lockerschneelawine punktförmig. Im weiteren Verlauf der Rutschbahn werden Lockerschneelawinen immer breiter. Man spricht auch von einer „birnenförmigen“ Form der Lawine. Lockerschneelawinen können sowohl aus trockenem, als auch aus sehr nassem und schwerem Schnee bestehen. Trockene Lockerschneelawinen entstehen vor allem nach Neuschneefällen im besonnten Steilgelände. Gerade im Steilgelände ist Mitreiß- und Absturzgefahr durch Lockerschneelawinen nicht zu unterschätzen! Nasse Lockerschneelawinen sind die Folge einer Durchfeuchtung der oberen Schneeschichten, die dadurch rasch an Festigkeit verlieren können.
Gleitschneelawinen
Gleitschneelawinen gleiten auf einer glatten Schicht über dem Untergrund ab. Ursache für das Abgleiten ist ein Reibungsverlust am Übergang der Schneedecke zum Untergrund. Der Reibungsverlust wird durch Wasser verursacht. Häufig entstehen Gleitschneelawinen auf Grashängen, bei den der Boden nicht gefroren ist. Durch die Wärme des Untergrunds wird die Schneedecke feucht, das Wasser führt zu einem Reibungsverlust zwischen Untergrund und Schneedecke. Auf dem glatten, grasigen Untergrund kommt die gesamte Schneedecke ins Rutschen. Gleitschneelawinen sind sehr schwierig zu prognostizieren. Ein sicheres Anzeichen sind sogenannte Fischmäuler. Diese spaltenartigen Risse in der Schneedecke deuten auf ein baldiges Abgleiten der Schneedecke hin. Sie sind, entgegen sich hartnäckig haltender Meinungen, keine Anzeichen für Entspannung in der Schneedecke. Bereiche unter Fischmäulern sind zu meiden oder rasch zu queren.
2. Lawinenauslösung
Für eine Schneebrettlawine – die für den Wintersportler gefährlichste Lawinenart – braucht es bestimmte Zutaten:
- Gebundener Schnee (Triebschnee)
- Eine Schwachschicht
- Ein steiler Hang (> 30°)
- Eine Zusatzbelastung
Die Prozess der Lawinenbildung ist sehr komplex und daher nur schwer vorherzusehen. Ein Grund dafür ist der inhomogene Aufbau der Schneedecke. Es kommt vor, dass in einem Hang stabile und instabile Zonen nebeneinander liegen. In den instabilen Zonen, sogenannte „Hot Spots„, können Schneebrettlawinen besonders leicht ausgelöst werden. Wo sich am Hang diese schwachen Zonen befinden, ist für den Wintersportler leider nicht zu erkennen. Auch ein Schneeprofil gibt nur Auskunft über die Situation an einer bestimmten Position im Hang.
Schwachschicht
Grundzutat für eine Schneebrettlawine ist eine Schwachschicht. Schwachschichten in der Schneedecke können aus Schwimmschnee, eingeschneitem Oberflächenreif oder Graupel oder aus hartem Altschnee bestehen. Charakteristisch für die Schwachschichten ist, dass sie nur schlecht mit den umliegenden Schneeschichten verbunden sind. Die Spannungen in den schwachen Bereichen sind größer als die Festigkeiten. Merkmale für Schwachschichten sind oft große Temperaturunterschiede innerhalb der Schneedecke, große Unterschiede in der Härte der Schichten oder in der Größe der Schneekristalle.
Liegt nun gebundener Schnee (z. B. spröder Triebschnee, der Belastungen nur schlecht kompensieren kann) auf einer solchen Schwachschicht, sind nur noch zwei weitere Zutaten für die Auslösung einer Schneebrettlawine nötig: eine Zusatzbelastung und eine Hangneigung.
Zusatzbelastung
Eine Zusatzbelastung ist zum Beispiel ein einzelner abfahrender Wintersportler, eine Gruppe im Aufstieg oder weiterer Schneefall. Wie groß die Zusatzbelastung sein muss, damit eine Lawinenauslösung wahrscheinlich ist, hängt von der aktuellen Gefahrensituation ab und ist immer Thema im Lawinenlagebericht. Mit bestimmten Maßnahmen kann die Schneedecke vor zu großer Belastung geschont werden. Zum Beispiel einzeln abfahren in Hängen ab 35° oder Abstände halten im Aufstieg bei Hängen ab 30°.
Zwischen der Auslösewahrscheinlichkeit einer Lawine und der Hangneigung besteht ein Zusammenhang. Ab 30° sind Hänge in der Regel lawinengefährdet. Der Lawinenlagebericht spricht dann von „Steilhängen“. Verzichtet man also auf die Befahrung von Steilhängen, kann das Lawinenrisiko reduziert werden.
3. Lawinengrößen
Die Größe von Lawinen wird durch die Europäischen Lawinenwarndienste in fünf Klassen eingeteilt. Ein Faktor bei der Größenbeurteilung ist unter anderem das Schadenspotenzial. Für einen Skifahrer sind gemäß dieser Definition schon „kleine“ und „mittlere“ Lawinen tödlich.
Größe | name | reichweite | schadenspotenzial | typische länge |
---|---|---|---|---|
Größe 1 | Kleine Lawine (Rutsch) | Kommt im Bereich des Steilhanges zum Stillstand | Eine Verschüttung ist unwahrscheinlich, außer bei ungünstigem Auslaufbereich. Im extremen Gelände überwiegt die Absturzgefahr die Verschüttungsgefahr | < 50 m |
Größe 2 | Mittlere Lawine | Kann den Hangfuß erreichen | Kann eine Person verschütten, verletzen oder töten. Entspricht der „Skifahrerlawine“ | Länge 50 – 200 m |
Größe 3 | Große Lawine | Kann flache Geländeteile (deutlich unter 30°) über eine Distanz von bis zu 50 m überwinden | Kann PKWs verschütten und zerstören, schwere LKWs beschädigen, kleine Gebäude zerstören und einzelne Bäume brechen. Gelangen Skifahrer in Lawinen dieser Größe, ist das Todesfallrisiko sehr hoch | mehrere 100 m |
Größe 4 | Sehr große Lawine | Überwindet flachere Geländeteile (deutlich unter 30°) über eine Distanz von > 50 m, kann den Talboden erreichen | Kann schwere LKWs und Züge verschütten und zerstören, kann größere Gebäude und kleine Waldflächen zerstören. Sehr große Lawinen sind bei Gefahrenstufe 3 möglich, bei Gefahrenstufe 4 und 5 typisch. | 1 – 2 km |
Größe 5 | Extrem große Lawine | Erreicht den Talboden, größte bekannte Lawine | Kann die Landschaft verwüsten, katastrophales Zerstörungspotenzial möglich (Galtür). Typisch für Gefahrenstufe 5 | > 2 km |
Typische Lawinengröße einer Skifahrerlawine:
- Anrissfläche ca. 50 mal 80 m
- Mittlere Anrissmächtigkeit rund 50 cm
- 150 m Lauflänge
4. Lawinenkurse
Aufbauend auf dem theoretischen Wissen über Lawinen und ihre Entstehung ist es für Wintersportler unabdingbar, sich in professionellen Kurse weiterzubilden und mehr über Strategien zur Vermeidung von Lawinenunfällen zu erfahren.
Eintägiges Fresh-Up Lawine & Safety am Pitztaler Gletscher
Beim eintägigen Lawinenkurs am Pitztaler Gletscher lernt ihr von einem staatlich geprüften Skiführer wie man die Notfallausrüstung (LVS, Sonde, Schaufel) schnell und effizient einsetzt und damit Leben retten kann. Außerdem gibt es einen Theorievortrag mit Einführung in die strategische Lawinenkunde, Interpretation des Lawinenlageberichts, Lawinenprobleme und Risikomanagement auf Tour.
Skitouren Grundkurs im Pitztal für Einsteiger
Für Einsteiger in den Skitourensport bietet sich der Skitourengrundkurs an. Neben dem Umgang mit der Notfallausrüstung, stehen auch Schnee- und Lawinenkunde, Tourenplanung, Aufstiegs- und Abfahrtstechnik, sowie Geländewahl und Spuranlage auf dem Programm.
Weiterführende Links
https://lawinen.report
https://www.slf.ch/de/index.html
https://whiterisk.ch/de/welcome